Maria ist fünf Jahre alt. Sie ist ein kleines, zartes und stilles
Kind und, Maria ist ängstlich. „Ich trau mich nicht!“ das sagt
sie immer wieder.
Maria hat zwei
ältere Brüder. Sie sind viel älter als sie. Alfred ist zehn und
Ulrich elf Jahre alt. Sie sind ganz anders als Maria, groß, kräftig
und sehr lebhaft. Sie lieben ihre kleine Schwester sehr. Als Maria
ein Baby war haben Alfred und Ulrich ihr oft das Fläschchen gegeben.
Oft auch haben sie Maria im Kinderwagen spazieren gefahren.
Jetzt, da Maria
schon älter ist wollen sie ihr zeigen wie man auf den Apfelbaum
klettert.
„Komm
Marietschi!“ lockt Ulrich „trau dich! Nur den Stamm hinauf bis
dorthin wo die Äste verzweigen, dort kannst du bequem sitzen. Ich
pass` schon auf dich auf!“
Aber Maria traut
sich nicht, sie versucht es nicht einmal. Sie hat Angst.
Ein andermal gehen
sie mit den Eltern schwimmen. Das Wasser des Sees ist wunderbar
klar, nur ein wenig kalt ist es vielleicht. Das macht den Buben
überhaupt nichts aus. Lärmend stürzen sie sich in den See.
Übermütig tauchen sie sich
gegenseitig unter. Wenn sie wieder hochkommen prusten sie im Wasser,
lachen und machen einen Höllenlärm. Dann beginnt das Spiel von
neuem.
Maria steht am
Ufer. Sie trägt Schwimmflügel.
„Komm herein
Maria! Wir zeigen dir wie man schwimmt. Schau, so!“ Alfred macht
ein paar Tempi.
„Ich trau mich
nicht!“ Sagt Maria weinerlich und läuft zur Mama. Alfred wendet
sich wieder Ulrich zu „mit ihr ist nichts anzufangen, sie ist halt
ein Mädchen!“ sagt er geringschätzig.
Maria hat es
gehört und kränkt sich.
„So versuche es
doch!“ meint auch Mama „es kann dir nichts passieren. Die
Schwimmflügel tragen dich und das Wasser beißt nicht!“
Aber da ist nichts
zu machen. Maria traut sich nicht.
„Bist halt meine
kleine „Angshäsin!“ Liebevoll umarmt Mama Maria.
„Meine kleine
„Angsthäsin!“ sagt auch Papa. Es klingt zärtlich aber Maria ist
es nicht recht.
Es ist ein warmer
Tag. Warm aber nicht zu heiß. Gerade richtig um im Garten zu
spielen.
Maria hat alle
ihre Puppen heraus geräumt. Sie hat sie neben einander hingesetzt
und schaut mit ihnen den Buben zu. Die
stellen das neue Indianerzelt auf, das sie zu Weihnachten bekommen
haben. Jetzt wendet sich Maria wieder ihren Puppen zu. Sie kann zwar
noch nicht lesen aber sie kennt die Gedichte des Kinderbuches
auswendig und liest daher den Puppen vor.
Der Abfluss der
Küche ist verstopft. Der Kanal muss geputzt werden. Der Installateur
ist heute nicht ganz fertig geworden und muss morgen weitermachen.
Leider hat er vergessen den Kanalschacht abzudecken.
Aus dem
Kanalschacht hört man ein klägliches Piepsen. Alfred und Ulrich
stürzen hin. Auch Maria geht zum Schacht und blickt hinein. Am
Grunde des Schachtes sieht sie etwas herumflattern.
„Es ist ein
junger Vogel! Wahrscheinlich kann er noch nicht gut fliegen und ist
in den Kanal gefallen!!“ sagt Ulrich. Die Buben versuchen den Vogel
herauszuholen. Aber ihre Arme sind nicht lang genug so sehr sie sich
auch strecken. Sie hängen einen Besen mit einer langen Stange
hinunter und hoffen, dass das Vöglein sich anklammern wird, Aber der
Vogel flattert nur hilflos umher.
Alfred sieht Maria
an. „Maria! Du könntest dem Vogel helfen. Du bist klein und dünn
genug! Du könntest hinunter klettern und ihn holen!“
„Ja, das ist
wahr!“ sagt auch Ulrich.
„Aber ich trau
mich nicht!“ kommt es verzweifelt von Maria.
„Maria! Du bist
die einzige, die den kleinen Vogel retten kann. Da unten ist es
schlammig. Lange kann er nicht mehr flattern, er hat nicht die Kraft
dazu und wird immer schwächer. Dann versinkt er im Schlamm und muss
sterben!“ erklärt Ulrich Maria ernst.
„Schnell Maria,
bitte! Sonst ist es zu spät! Hab keine Angst! Wir halten dich beim
Hinunter klettern!“ sagt Alfred.
Maria überlegt
blitzschnell. Sie will natürlich nicht dass das Vöglein stirbt. Sie
muss ihre Angst überwinden und in den Kanal hinuntersteigen.
Letztlich ist sie einverstanden.
Alfred und Ulrich
halten sie an den Händen. Mit den Füßen stützt sie sich am oberen
Rand des Schachtes ab. Marias Herz klopft bis zum Hals. „Jetzt
steig vorsichtig auf den Grund!“ rufen die Buben ihr zu.
Maria steht am
Grund des Kanalschachtes. Sie hat Angst vor dem flatternden Vogel
aber sie reißt sich zusammen. Vorsichtig nimmt sie das flatternde
Vöglein, stellt sich auf die Fußspitzen und reicht es ihren Brüdern
hinauf. Dann ziehen Alfred und Ulrich Maria wider hinauf.
Geschafft! Maria hat es geschafft!
„Bravo
Marietschi!“ sagt Alfred. „Das hast du gut gemacht!“
Sehr gut Maria!
Wenn es darauf ankommt, traust du dich doch! Ohne deine
Hilfe hätte das Vöglein sterben müssen. Ich bin stolz auf dich!“
sagt Ulrich. Maria wird rot vor Freude über das Lob.
Das Vöglein ist
sehr erschöpft. Die kleine Brust bewegt sich auf und ab, so stark
klopft das Herz.
Die Kinder bleiben
sitzen und passen auf, dass Minka die Katze das Vöglein nicht holt.
Nach einer Weile erholt es sich, schüttelt ein paarmal sein Gefieder
und fliegt schließlich weg.
........und Maria ist glücklich